Rhododendron-Wildarten für den Garten
“… delicate beauty and charm, there is nothing among the vast majority of hybrids to equal the species…”(Peter Cox)
1. Einleitung
Es gibt wenig Gehölze, die so viel Gartengeschichte geschrieben haben wie Rhododendren. Dabei hat diese Pflanzenart erst verhältnismäßig spät Einzug in die europäische Gartenkultur gehalten. Frühe Erwähnung, aber auch erst im 17. und 18. Jahrhundert, fanden die beiden einheimischen Arten Rhododendron ferrugineum (Bild 1), dessen Vorkommen sich auf die Zentralalpen, den Apennin und die Pyrenäen beschränkt, und Rh. hirsutum, das angeblich „kalkholde Pendant“ der mittleren und östlichen Kalkalpen. Das heißt nun keineswegs, beide Arten wären nicht schon früher in Gärten angepflanzt worden. Doch beschränkte sich das vermutlich auf Gärten in der Region ihres natürlichen Vorkommens. Der Hortus Eystettensis, der Eichstättische Garten, ein Anfang des 17. Jahrhunderts aufgelegtes Verzeichnis nahezu aller bekannten Kulturpflanzen, wie sie im Garten des Fürstbischofs von Eichstätt (Altmühltal, unweit Ingolstadt) seinerzeit wuchsen, erwähnt keinen Rhododendron im heutigen Sinn. Was dort und damals als Rhododendron bezeichnet wurde (Tafel 138: Nerium seu Rhododendron flore albo), heißt seit Carl von Linné (1707-1778) Nerium oleander (= Oleander).
Allein schon wegen ihrer geringen Größe (maximal 1,50 m), vielleicht aber auch angesichts ihrer Blühfaulheit im Flachland und der somit recht bescheidenen Dekorationswirkung - Liebhaber dieser Pflanzengattung urteilen zweifellos anders - blieben diese beiden Rhododendron-Arten erstaunlicherweise bis in die heutige Zeit für die allgemeine Gartenkultur ohne großes Interesse.
Wesentlich attraktiver war hingegen eine andere Art, Rhododendron ponticum (Bild 2) (benannt nach dem Pontus Euxinus = Schwarzes Meer), der ein sehr eigenartiges, disjunktes Vorkommen aufweist, das sich vom Kaukasus (Schwarzmeer-Gebiet) über den Libanon bis nach Portugal und Süd-Spanien (Cadiz), jeweils entlang an Flüssen und in feuchten Bergregionen, erstreckt. Diese Art, ein aufrechter, immergrüner Strauch bis maximal 8 m mit lockeren, durchaus hübsch anzusehenden mauve-farbigen Blütenstutzen, hatte insbesondere für die herrschaftlichen Gärten Englands einen beachtlichen Zierwert und wurde ab Mitte des 18. Jahrhunderts recht verbreitet und – weil überaus wuchsfreudig – sogar als Windschutz angebaut. Heute betrachtet man in Großbritannien und Irland Rh. ponticum als ein „invasives Unkraut“, das in einigen Regionen erhebliche Probleme bereitet und äußerst schwer zu bekämpfen ist. Wer England bereist hat, kennt die haushohen, undurchdringlichen, jede andere Vegetation unterdrückenden Rhododendron-Hecken, hinter denen sich mühelos ausgedehnte Gebäudekomplexe verstecken lassen. Neben Rh. ponticum spielt auch eine weitere kaukasische Wildart, die mit max. 1m Wuchshöhe aber deutlich kleiner bleibt und nicht die negativen Charaktereigenschaften der zuvor Erwähnten besitzt, ein herausragende Rolle für die Gartenkultur: Rhododendron caucasicum. Sein Verbreitungsgebiet liegt ebenfalls im Schwarzmeer-Gebiet und dort, nicht selten flächendeckend, an den nach Norden gerichteten Berghängen in der Türkei (u.a. Provinz Trabzon). Wie Rh. ponticum sollte auch Rh. caucasicum Elternteil für viele unserer heutigen Gartenhybriden werden mit dem großen Vorteil einer deutlich größeren Frosthärte. Auch diese Wildart ist recht attraktiv und wird leider viel zu wenig gepflanzt.
Eine andere Wildart aus der Neuen Welt, der in den Alleghany Mountains / Appalachen beheimatete Rhododendron catawbiense (Bild 3) (namensgebend war der Catawba-Fluss, N.C./USA), der erstaunlicherweise erst Anfang des 19. Jahrhunderts zu uns kam, war vielleicht der eigentliche Beginn des Rhododendron-Kultes. Die Leuchtkraft der Blütenfarbe, purpur-violett oder rosa oder weiß, der schöne geschlossene Blütenstutz, das kontrastreiche, tiefgrüne Laub sowie die Robustheit beeindruckten die Pflanzenliebhaber und machten diesen Strauch sehr schnell zu einer der beliebtesten Strukturpflanzen der Gärten. Seit über 200 Jahren gehören Rh. c. „Grandiflorum“, Rh.c. „Boursault“ und Rh.c. „English Roseum“ zu den meistverwendeten Rhododendronsträuchern (neben Rh. „Cunningham’s White“, der allerdings eine Ponticum-Hybride ist), wobei keiner mehr so genau sagen kann, wie sehr sich diese drei Hybriden von der ursprünglichen Wildart entfernt haben. Sie sind ihr zumindest sehr, sehr ähnlich. Möglicherweise ein Grund, warum die echte Wildart so gut wir gar nicht im Handel ist. Inzwischen ist Rh. catawbiense Elternteil unzähliger Hybriden und hat sein Blut nahezu allen bei uns in Deutschland als winterhart geltenden Rhododendron-Züchtungen weitergegeben. Die damalige Baumschule T.J. Seidel (Grüngräbchen bei Dresden) experimentierte im 19. Jhd. recht viel und sehr erfolgreich mit Rh. catawbiense. Von diesen Züchtungen (insgesamt wohl um die 600) sind angeblich heute noch 40 im Handel, so auch die besonders schöne „Humboldt“. Rh. ponticum hat in unseren Klimaten hingegen eine wesentlich geringere Rolle gespielt, da diese Art deutlich weniger frostresistent ist. Aber sein robuster Abkömmling, Rh. „Cunningham’s White“, gehärtet durch Einkreuzen von Rh. caucasicum, wird bei Veredelungen gerne als Unterlage genutzt.
Recht früh hat auch eine weitere Wildart ihren triumphalen Einzug in die Gärten gehalten (Ende des 18. Jhd.) und ist bis heute eines der beliebtesten Gartengehölze geblieben: Rhododendron luteum (Bild 4), besser bekannt vermutlich als Azalea pontica, die verbreitete, leuchtend gelb blühende und wunderbar duftende Azalee, die ebenfalls aus der Schwarzmeer-Region stammt. Über sie wird später noch zu sprechen sein.
Die weltumspannende Rhododendron-Leidenschaft, die wohl nur noch von der für Rosen übertroffen wird, begann jedoch erst mit der Entdeckung der asiatischen Arten, diesen Blüten-Wundern, die in der Pflanzenwelt nichts Vergleichbares haben.
Letzte Aktualisierung: 17.2.2006 - © Garten-pur GbR