Vom Essen und Trinken
„Noch ist der Fremde geprellt, stellt er sich, wie er auch will.“
(J.W. von Goethe, 2. Italienische Reise)
Es gibt mehrere Methoden, Geld zu vernichten. Eine der unangenehmsten ist mit Gewissheit, in Venedig das falsche Restaurant zu besuchen. Das bedeutet dort aber absolut keine Schwierigkeit, denn die meisten Gaststätten in den Kernbereichen der Stadt sollten gemieden werden. Die Tische werden abends möglichst mehrmals vergeben, so dass einem die Speisekarte bereits mit der Geste überreicht wird, man möge sich doch bitte schnell entscheiden, noch schneller das Essen runterschlingen und presto, presto den Wein austrinken, denn schließlich warten bereits weitere Gäste auf die Plätze. Das Essen ist meist so lalala, und wird allenfalls von dem gelobt, der egalweg aber auch alles gut findet, was die angeblich italienische Küche produziert. Das Ganze wird dann gekrönt von einem nahezu ungenießbaren Wein, sofern man nicht einen Flaschenwein zu noch ungenießbareren Preisen bestellt. Dafür ist die Rechnung dann aber vom Allerfeinsten.
Anders hingegen ist es abseits der Touristenströme und vor allem in den Randbezirken der Stadt. Dort kann man in kleinen Lokalen, in denen auch die Einheimischen anzutreffen sind, kleine Gerichte genießen, so zum Beispiel kleine Fische, süß-sauer eingelegt, in Ausbackteig frittierte Gemüsesorten, oder ein Risotto mit Meeresfrüchten. Dazu ein Glas Rotwein, einfach, aber sauber im Geschmack. Billig ist das zwar auch nicht, hat aber einen noch akzeptablen Preis. Offenbar haben sich die Venezianer darauf verständigt, jeden, der nicht ihre Zunge spricht, zumindest bei Speisen und Getränken auszurauben. Die kleine Gegenwehr des Touristen besteht darin, diesen Raubzug erträglich werden zu lassen. Der Preis des von uns überaus geschätzten „Ombra“, dieses kleine Gläschen Wein am Vormittag oder Nachmittag zur Stärkung und Animierung, kann einen erstaunt die Augenbrauen hochziehen lassen, aber auch die Kopfhaare senkrecht stellen. Aber wer will es dieser Bevölkerung verdenken. Schafft sie doch alles und jedes auf Lastkähnen heran (Bild 32), die mühsam mit Muskelkraft be- und entladen werden müssen. Anschließend wird es mit Karren in die Häuser geliefert. Allein der Lohnanteil muss bei den Waren horrend sein.
Als Alternative bleibt eigentlich nur die Selbstverpflegung. Überall in der Stadt verstreut gibt es Delikatessenläden, aus denen es wundervoll herausduftet und in denen schnell ein delikates Mahl zusammengestellt ist. Auffällig, wie selbst in den Einkaufsmärkten (einer in der Nähe der Ponte di Rialto hätte es mit jedem Feinschmeckergeschäft in unserem Land aufnehmen können) Lebensmittel mit besonderer Sorgfalt behandelt werden. Ohnehin ist das Angebot deutlich hochwertiger als wir es in Deutschland gewohnt sind (Bild 33). Offensichtlich ist der italienische Kunde wesentlich anspruchsvoller. Mit hungrigem Magen einzukaufen, birgt allerdings die Gefahr der Unmäßigkeit, auch gegen die Reisekasse, in sich.
Ein Genuss ganz besonderer Art ist der Besuch des Fischmarkts auf dem Campo della Pesceria, unweit der Rialto-Brücke (Bilder 34 und 35). Wer das ganze Füllhorn erleben will, sollte recht früh dort sein. Es ist geradezu faszinierend, diese Vielfalt an Meeresgetier zu sehen und zu riechen. Angesichts dieser überbordenden Mengen drängt sich einem unwillkürlich die Frage auf, warum in den Restaurants gerade Fischgerichte so teuer sein müssen.
Hatten wir uns bei früheren Venedig-Besuchen deutlich mehr auf gute Restaurants konzentriert, waren wir dieses Mal mit einem einzigen zufrieden, das aber in höchstem Maße. Empfehlungen sollten immer unter besonderem Vorbehalt entgegengenommen werden. Dafür sind die Ansprüche und Erwartungen zu unterschiedlich. Dennoch wage ich es, diese auszusprechen: Osteria da Alberto, Calle Giacinto Gallina. Nicht ganz so leicht zu finden (vor allem bei Regen nicht, wenn der Schirm einem die Sicht nach oben zu den Straßennamen raubt und wenn in der Dunkelheit auch alle Gassen grau sind), einfach in der Ausstattung, aber göttlich im Essen. Den Empfehlungen des Personals darf man getrost folgen. Es kommt nichts auf den Tisch, was ohnehin weg muss. Platzreservierung (1 Tag vorher) ist unabdingbar. Die Preise sind zwar auch nicht niedrig, aber angemessen und man zahlt sie gerne. Die eng stehenden Tische lassen schnell eine familiäre und gut nachbarliche Atmosphäre entstehen, was den Weinkonsum beträchtlich nach oben schnellen lässt. Zwei weitere Restaurants, die wir von unserer vorherigen Venedigreise kannten sind, sofern es sie noch gibt, nicht ganz, aber fast gleichwertig: Trattoria di Remigio (unmittelbar bei S. Giorgio dei Greci) und Al Mascaron, Calle Lunga S. Maria Formosa.
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Letzte Aktualisierung: 21.11.2005 - © Garten-pur GbR