Hamamelis: Zauberhafte Nüsse im Garten
Jedes Jahr im ausgehenden Winter lechzen die meisten Gärtner nach Farbe und Duft. Wenigstens ein klitzekleines Zeichen, dass es nicht auf ewig grau und matschig bleiben wird, würde uns ja schon reichen. Und genau dann haben sie (zumindest die meisten von ihnen) ihren großen Auftritt: die Hamamelis.
Zaubernüsse
Sie verzaubern uns im wahrsten Sinne des Wortes in der recht blüten- und farbenlosen Zeit. Denn ihre kleinen, zungenförmigen Petalen (Blütenblätter) überstehen schadlos bis zu –10°C. Bedenken sollte man aber, dass –10°C auf freiem Feld und im Wind nicht gleich –10°C an der geschützten Hauswand sind!
Sinkt das Thermometer unter den Gefrierpunkt, dann können die Blüten auf zwei Weisen reagieren, um sich vor Frost zu schützen. Oft taucht in der Literatur der Hinweis auf, dass sich die Petalen bei Frost zusammenkringeln und später wieder entfalten. Auch möglich ist, dass sie schlaff herabhängen und auf bessere Tage warten.
Da sich zum letztgenannten Verhalten wenig „Beweise“ finden lassen, geben wir die Frage an euch weiter: Kringeln oder hängen? Oder beides – je nach Sorte?
Wenn ihr damit einverstanden seid, dass Fotos von euren Pflanzen bei Bedarf veröffentlicht werden, dann schickt uns Bilder von euren gefrosteten Hamamelisblüten mit Sortennamen und der vorherrschenden Minustemperatur. (Am besten per E-Mail an redaktion@garten-pur.de mit dem Hinweis, dass ihr das Urheberrecht an dem jeweiligen Bild habt und ihr die ausdrückliche Genehmigung zur unentgeltlichen Veröffentlichung auf den Seiten von garten-pur erteilt)
Zum einen ist die Temperatur also entscheidend für die Farbwirkung. Hängen die Petalen „entspannt“ herunter oder sind zu einem Knäuel geformt, dann ist weniger von den farbigen Blütenblättern zu sehen, als wenn sie nach allen Seiten straff abstehen.
Zum anderen hat die Temperatur Auswirkung auf die Dauer der Blüte. Je wärmer es ist, desto kürzer blühen die Sträucher, während Kälteperioden eine Unterbrechung – und damit eine Verlängerung – der Blütezeit bewirken.
Als geeigneter Standort für Zaubernüsse wird häufig ein Platz vor dem Fenster empfohlen, um die Blüte durch die Scheibe am wohlig warmen Kamin genießen zu können. Ein guter Grund – aber es gibt noch weitere Kriterien für die richtige Standortwahl.
Zuerst einmal können wir an den natürlichen Standort der Hamamelis-Arten denken. Freilich sind die Hybriden etwas weniger anspruchsvoll als die reinen Arten – doch ein guter Anhaltspunkt sind die Bedingungen am Naturstandort allemal.
Die ostasiatischen H. mollis und H. japonica, aus denen unsere Garten-Hybriden hervorgingen, sind Unterwuchs in eher feuchten Wäldern. Hier stehen sie zusammen mit Rhododendron, Blumenhartriegel, Forsythie und japanischem Ahorn. Sie wachsen also durchaus im Schatten von Bäumen, doch entwickeln sie bei mehr Licht einen höheren Blütenansatz und besseren Strauchaufbau.
Beide Arten wachsen natürlicherweise in Bergwäldern mit langen und kalten Wintern. Somit sind sie auch in Mitteleuropa winterhart. Jedoch sollte man bedenken, dass Zaubernüsse nie allein auf sturmumpeitschten Bergkuppen stehen, sondern stets im Unterwuchs lichter Wälder gedeihen. Exponiert gepflanzte junge Sträucher können deshalb in kalten Wintern Zweigschäden erleiden, jedoch wird es so gut wie nie einen Totalverlust der Pflanze geben.
Mit den Jahren werden die Zaubernüsse immer frostfester. Unterstützen kann man die Pflanzen in den ersten Jahren durch leichten Winterschutz in Höhe der Veredlungsstelle und Vermeidung von späten Düngergaben.
Der Boden am Naturstandort weist einen leicht sauren bis neutralen pH-Wert (5,5 bis 7) auf, ist humos und hat eine luftige Struktur. Genau diese Bedingungen sind es dann auch, unter denen unsere Gartenpflanzen am besten gedeihen.
An dieser Stelle möchte ich besonders die Bedeutung einer luftigen Bodenstruktur hervorheben. In dichtem, schwerem Boden versagen uns die Zaubernüsse ihre Reize. Auf einem zeitweise trockenen, aber luftigen Boden gedeihen sie besser als in neutralem, aber dichtem Lehm.
Ist der Garten mit solchem Lehmboden gesegnet, dann sollte Hamamelis leicht erhöht – quasi auf einem Miniatur-Hügel – gepflanzt werden. Dadurch wird verhindert, dass im nassen Winterhalbjahr die Pflanzlöcher unserer Schätzchen „volllaufen“ und die Wurzeln verfaulen.
In der Praxis bedeutet das: Hamamelis wächst nicht zufriedenstellend
- in stark kalkhaltigem Boden
- in sehr schwerem und dichtem Substrat
- an sehr heißen und trockenen Plätzen (Hitzestau).
Die amerikanische H. virginiana wird oft als Veredlungsunterlage verwendet und ist weniger anspruchsvoll. Auch sie wächst im lichten Schatten in humosem und leicht saurem Boden, zusammen mit Roteichen und Kiefern, verträgt aber im Gegensatz zu anderen Arten auch leicht kalkhaltigen Boden.
Hamamelis sind so genannte Herzwurzler, die aber je nach Bodenart und Feuchte durchaus auch die Oberfläche stark durchwurzeln. (Fast) alles ist eben relativ. Definitiv hingegen ist ihre Abneigung gegen Wurzelverletzungen aller Art. Weder dulden sie Bodenverdichtung noch Störungen durch Hacken oder Graben.
Ein zweites „Standortkriterium“ ist die optimale Wirkung der Sträucher. Da die Zaubernüsse langsam wachsen, wird ihnen häufig nicht genug Platz eingeräumt – was nach Jahren zu unschönen Schnittaktionen führt. Ihr Zuwachs kann dennoch je nach Standort beachtliche 20 bis 30 cm im Jahr betragen. Ausgewachsene Sträucher werden meist 4 bis 5m hoch und breit, teilweise auch etwas mehr. Die hellgelbe H. x. intermedia ’Angelly’ soll aber beispielsweise nur ca. 2m hoch werden. Jedoch ist bei Höhenangaben neuer Sorten immer etwas Vorsicht geboten.
Hamamelis sollten möglichst nicht geschnitten werden, können sie doch Wunden kaum abschotten und treiben selten neue Triebe aus der Basis. Zudem geht ihr malerischer, leicht vasenförmiger bis breit ausladender Wuchs verloren. Solche Diven sollten nicht künstlich klein gehalten werden.
Sorten wie 'Arnold Promise', 'Ruby Glow', 'Westerstede', 'Orange Peel' und 'Spanish Spider' gelten als aufrechter, schlanker wachsend und sind deshalb eher für kleinere Gärten zu empfehlen. Allerdings – die 'Arnold Promise'-Ursprungspflanze von 1928 im Arnold Arboretum ist inzwischen über 6m hoch und ebenso breit. Laut Hans-Dieter Warda gibt es zwei Typen im Handel – vielleicht ist dies die Lösung des Rätsels über die verschiedenen Wuchsangaben.
Geeignete Pflanzpartner sind bei den Stauden zu finden – hier bieten sich natürlich die Waldrandstauden an, die meist ohnehin im Laubmulch stehen möchten, ohne gestört zu werden. Von den niedrigen Vorfrühlingsblühern passen besonders die Schneeglöckchen, Schneestolz, Blausternchen und Winterlinge zu Hamamelis, aber auch wintergrüne Farne wie der Glanzschildfarn (Polystichum aculeatum) oder der weiche Schildfarn (Polystichum setiferum), dazu niedrige Seggen wie z. B. die weißgrüne Carex morrowii 'Variegata'. Auch Helleborus kommen in Frage – die Pflanzpartner sollen lediglich nicht zu wuchsstark sein. Andere Gehölze sollten dann auch einen gewissen Respektabstand einhalten.
Steht unsere Zaubernuss jetzt endlich in locker-durchlässigem und humosem Boden, leicht beschattet und mit genug Platz, um sich im Alter zu voller Schönheit zu entfalten, fehlt immer noch eine wichtige Sache.
Richtig – ihre Blüten möchten wir natürlich auch „optimal“ bewundern. Die gelben Sorten fangen besonders vor dunklen Hintergründen wie Holzwänden und Eibenhecken zu leuchten an, während vor weißen Hauswänden die feinen Blütenblättchen „verloren gehen“. Die roten Sorten besitzen eine geringere Leuchtkraft. Doch im Gegenlicht, besonders natürlich gegen den Sonnenuntergang betrachtet, glühen auch sie auf. Auch vor sehr ruhigem und eher hellem Hintergrund wie dicht gepflanzten Gelbholz-Hartriegeln (Cornus stolonifera ’Flaviramea’) flammen die roten Petalen auf.
Und da wir gerade beim Aufflammen sind – im Herbst bescheren uns die Zaubernüsse eine zweite Farborgie. Während manche Arten und Sorten sattes Goldgelb produzieren, zeigen andere Rottöne oder mischen gar Purpur und Kastanie bei. Die für mich schönste Herbstfärberin ist Hamamelis vernalis 'Sandra'; eine Art, die (fast) nur mit dieser Sorte im Handel zu finden ist.
Bei unserer Umfrage hat sich herausgestellt, dass sich die Gehölze immer zur Zufriedenheit der stolzen Besitzer färben – wir hätten also besser gezielter nach dem Farbton gefragt. In welchen Farbbereich sich nun eure Sorten kleiden, verratet ihr uns sicher in der kommenden Herbstsaison.
Trockenes Laub an den Zweigen wiederum kommt selten vor und ist meist auf einen feuchten und milden Herbst mit plötzlichem Wintereinbruch zurückzuführen. Die Pflanzen würden in einem solchen Fall Laub nicht rechtzeitig abstoßen, und ein Frosteinbruch führte dann zu braunen Blattleichen an den Zweigen. Die Beteiligten der Garten-Pur-Umfrage beobachteten dieses Phänomen nicht oder nur sehr begrenzt.
Dennoch sei gesagt, dass es Sorten gibt, die zur Blütezeit dazu neigen, Laubmumien zu tragen. Vor allem betrifft das Sorten von Hamamelis mollis (z.B. ’Brevipetala’ und ‚Sunburst’), die diese Eigenschaft vererbt hat. Auch H. x intermedia ’Ripe Corn’ wird dieses Verhalten nachgesagt, wenngleich die Sträucher mit dem Alter diese „Jugendsünde“ ablegen sollen.
Die Kaufkriterien schlechthin dürften Blütenfarbe und Blütezeitpunkt sein. Während die Farbe recht schnell geklärt ist, sollte man sich von fixen Blütezeitangaben nicht blenden lassen. Auch hier zeigt sich wieder, dass die jeweilige Klimazone und damit die Temperatur eine große Auswirkung hat. Dieser Umstand lässt sich auch gut aus den Umfrageergebnissen ablesen.
Die Blütenfülle nimmt mit den Jahren zu, was natürlich zum einen an mehr blühfähigem Holz liegt. Zum anderen brauchen Hamamelis ein paar Jahre, um sich gut an ihrem Standort etablieren zu können. Ihr empfindliches Wurzelsystem reagiert – wie schon gesagt – empfindlich auf Störungen. Umpflanzen ist dann ein potentiell folgenschwerer Eingriff in den Lebensbereich des Strauches. Nach etwa 3 Jahren haben sich die Diven etabliert und geizen nicht mehr mit ihren Blüten. Doch es sei noch mal auf den Standort hingewiesen – im Vollschatten von Gebäuden oder dichten Bäumen werden sie nie Blütenmassen wie an sonnigen Stellen produzieren.
Die Sorte 'Pallida' wird zwar als die am frühesten blühende Zaubernuss angeboten, jedoch lässt sich eine pauschale Monatsangabe für ganz Deutschland (geschweige denn England, Niederlande oder Österreich mit seinen alpinen Regionen) nicht treffen. Je wärmer und geschützter der Standort, desto früher blühen die Pflanzen auch. So beginnen die Sträucher in Klimazone 8a (-9,5 bis –12,2 °C absolute Minima) bereits Anfang Januar mit der Blüte, während diese sich in kälteren Klimaten deutlich ins Frühjahr verschiebt.
Anmerkungen, Bezugsquellen, Literatur
Letzte Aktualisierung: 14.1.2008 - © Garten-pur GbR